Mein Auslandssemester an der National Taiwan University

In den Straßen von Taipeh, Taiwan

Wenn mich jemand fragt: „Warum bist du nach Taiwan gegangen?“ kann ich viele Gründe aufzählen, die für Taiwan sprechen. Aber als ich mich vor einem Jahr entschieden habe, waren es die Erfahrungsberichte über Taiwan, die mich überzeugt haben. So möchte ich nun selbst mit einem positiven Bericht überzeugen.

National Taiwan University

Die Universität

Die NTU ist die beste Universität Taiwans – das Ranking ist in Taiwan im Gegensatz zu Deutschland klar und eindeutig: wenn man einem Taiwaner erzählt, man studiere an der NTU, antwortet der meist mit erstauntem Blick und dann erhobenem Daumen; der Traum eines jeden Schülers ist es, an diese Universität zu kommen. Das bedeutet die beste staatliche Förderung: von der gesamten Landfläche Taiwans – in etwa so groß wie Baden-Württemberg – macht der NTU-Campus 1% aus, denn es sind auch Wald-, Ackerflächen und Krankenhäuser mit der NTU assoziiert. Auch der Campus ist gepflegt und sehenswert: Man sieht immer mal wieder Paare, die ihre Hochzeitfotos auf dem Campus schießen lassen: vor dem markanten Haupteingang oder der Hauptbibliothek im japanischen Stil, an der großen Palmenallee oder dem romantischen Teich mit Pavillon.

Das Kursangebot

Das Angebot an rein englischsprachigen Kursen ist mittelmäßig: die meisten englischsprachigen Kurse findet man zum Thema Wirtschaft, einige sogar von Muttersprachlern unterrichtet. Es gibt Einführungkurse über Natur, Kultur oder Gesellschaft Taiwans, speziell für Austauschstudenten angeboten. In Physik werden die Kurse auf Chinesisch gelehrt, dafür sind das Textbuch und die Hausaufgaben und Klausuren auf Englisch. Auf jeden Fall lohnt es sich die kostenlos angebotenen Chinesischkurse zu besuchen. Ich persönlich habe mich sehr stark auf in die Sprache Chinesisch konzentriert, dies war auch eines der Hauptziele meines Austausches. Ich persönlich habe die meiste Energie fürs Chinesisch lernen aufgewendet.

Es ist sehr viel einfacher Kurse zu bestehen als in Deutschland. Gerade gegenüber ausländischen Studenten zeigen die Professoren viel Verständnis und, wenn man guten Willen zeigt, ist es unmöglich einen Kurs nicht zu bestehen. Außerdem bietet die Universität viele Sport- und Freizeitkurse an – teilweise sogar mit Credit Points-Vergabe.

Die Unterkunft

Die Universität organisiert den internationalen Studenten eine Unterkunft in den Shui-Yuan Studentenwohnheimen. Diese sind im Vergleich zu normalen taiwanesischen Studentenwohnheimen Luxus: gewöhnlich sind Taiwaner zu viert oder zu sechst in einem kleinen Zimmer untergebracht. Ich empfehle, sich für einen Raum mit Küchenzugang zu bewerben, da es zwar möglich ist, jeden Tag Essen zu gehen, aber man die Küche auch als Wohnzimmer und Treffpunkt mit Freunden nutzen kann. Ansonsten ist in den Wohnheimen für alles gesorgt: es gibt eine Lounge mit Billard und Tischtennis, eine Dachterrasse, einen Waschsalon und einen kleinen Fitnessraum. Bei irgendwelchen Problemen oder Fragen sind die Rezeptionisten – ja es gibt sogar eine Rezeption! – auch sehr hilfsbereit und freundlich.

Bevor ich nach Taiwan gekommen bin, wollte ich in jedem Fall eine WG suchen, um mehr Kontakt zu Taiwanesen zu bekommen und mein Auslandsjahr nicht nur mit den im Wohnheim feiernden internationalen Studenten zu verbringen; das Problem ist: 1. Man wird keine Wohnung zum gleichen Preis in derart günstiger Lage wie dem Wohnheim (5 min zur Uni) finden. 2. Taiwanesen leben gewöhnlich nicht in WGs. Ich habe eine Taiwanesin kennengelernt, die in einer WG gelebt hat, aber das war eine reine Zweck-WG, die Mitbewohner habe ich nie gesehen. Ein paar Freunde lebten in einer WG mit anderen Internationalen zusammen. Der große Nachteil einer WG ist, dass man von dem Sozialleben im Wohnheim ausgeschlossen ist und so jede Aktivität mit Freunden umständlich ist und geplant werden muss.

Die Wohnheime schränken allerdings freiheitlich etwas ein: Besuch ist nur bis 23:00 Uhr erlaubt und Skype-Anrufe oder laute Musik durchdringen die dünnen Wände sehr leicht. Als ich Taiwan verlassen habe, habe ich aber gehört, dass das Gebäude demnächst mit dickeren Wänden renoviert werden soll.

Die Besuchereinschränkungen kann man auch – auf eigenes Risiko verwarnt zu werden – umgehen, indem man den videoüberwachten Kellereingang benutzt.

Reisen

In Taiwan selbst ist Reisen sicher und einfach, dank guter und preiswerter Infrastruktur und ausländerfreundlicher Bevölkerung. Im Herzen Asiens gelegen, empfehlen sich Trips in alle Länder des fernen Ostens. In Wochenendtrips sind alle Regionen Taiwans zu erreichen, an einem  verlängerten Wochenende kann man gut Hongkong, Singapur oder Bangkok besuchen. In den Semesterferien bin ich in Südostasien gereist: Thailand, Laos, Vietnam. Es bieten sich auch Trips nach Korea, Japan oder Festlandchina an. Wobei man in das chinesische Visum ein wenig mehr Arbeit investieren muss.

Der Alltag in Taiwan

Der Aufenthalt in Taiwan ist besonders angenehm durch die Einwohner Taiwans. Taiwanesen sind sehr höflich und zivilisiert: z.B. um in die Metro einzusteigen, reiht man sich entlang einer am Boden aufgezeichneten Linie auf. Sie sind neugierig und aufgeschlossen gegenüber Ausländern.

Das Leben ist sehr günstig in Taiwan: Für ein normales Essen zahlt ungefähr 2-5 Euro. Transport ist deutlich günstiger als in Deutschland: Metro, Bus kosten ca 50 Cent pro Fahrt, Langstreckenbusse sind um die 10-20 Euro je nach Ziel, Hostels um die 15 Euro. Freizeitaktivitäten sind preislich mit Deutschland vergleichbar. Obwohl eigentlich alles etwas günstiger ist in Taiwan, habe ich letztlich genau so viel Geld wie in Deutschland ausgegeben, dafür aber auch ein Luxusleben geführt: bin jeden Tag ins Restaurant (oder die Mensa) essen gegangen und viel verreist.

Fazit

Dieses Jahr in Taiwan war das aufregendste und interessanteste, das ich bisher erlebt habe. Ich habe so viele Menschen aus aller Welt kennengelernt, insbesondere in die asiatische Kultur hingeblickt, ich bin so viel gereist wie in keinem anderen Jahr. Ich habe kaum noch Deutsch gesprochen; habe Chinesisch gelernt und auch mein Englisch verbessert.

Insgesamt bin ich sehr glücklich über diese einmalige Erfahrung und werde bestimmt nochmal nach Taiwan zurückkehren.