Ein Auslandssemester in Umeå, Schweden

Umeå

Hej, ich bin Anika, 24 Jahre alt, studiere Linguistik und Literaturwissenschaft und habe ein Semester im Norden Schwedens, genauer gesagt in Umeå, verbracht. Umeå? Noch nie gehört… Gibt es da keine größere Stadt in der Nähe? Nordschweden? Da wird’s im Winter doch gar nicht richtig hell und ist dir das nicht zu kalt und zu einsam? Ähnliches habe ich vor meinem Auslandssemester des Öfteren von Freunden und meiner Familie gehört aber mein Entschluss stand fest: Sverige, jag kommer!

Mein Weg zum Auslandsstudium

Für mich war eigentlich schon während der Schulzeit klar: Ich möchte ins Ausland! Ich informierte mich über Highschool und Au Pair Years aber zu 100% war ich nicht überzeugt und diese Chancen für eine gewisse Zeit im Ausland zu leben verstrichen. Darum war es für mich nur umso klarer, dass ich im Studium die Initiative ergreifen muss und vereinbarte einen Termin mit dem International Office meiner Universität. Hier erhielt ich Info Broschüren zu verschiedenen Ländern und Austauschprogrammen und bekam eine Idee davon, wie so ein Semester an einer Partneruni aussehen könnte. Wieder zuhause setzte ich mich an den PC, um mir die Partnerunis für meine Fächer anzuschauen – und stoß auf die Umeå universitet. Schon die Homepage sprach mich an und beantwortete mir die wichtigsten Fragen. Platz 1 im Ranking zur Zufriedenheit der Austauschstudenten in Schweden, ein Platz im Studentenwohnheim garantiert, ein Buddy Programme… Schnell stand der Entschluss fest. Ich möchte ins Land von Pipi Langstrumpf und den süßen roten Holzhäuschen!

Also bewarb ich mich mit Lebenslauf, Transkript und Motivationsschreiben beim zuständigen Programmkoordinator und wurde nominiert: Meine Bewerbung wurde nach Umeå weitergeleitet. Nun ging der Papierkram los. Zu der Bewerbung gehörten ein übersetztes und beglaubigtes Transkript und ein Learning Agreement, das vor dem Auslandsaufenthalt von der zuständigen Person in Deutschland, am Anfang des Aufenthaltes in Schweden und nach dem Aufenthalt wieder hier in Deutschland unterschrieben werden musste. In diesem Agreement wird festgehalten, welche Kurse man wählt, tatsächlich besucht und dann auch mit Note abschließt.

Vorbereitung

Dann hieß es erst einmal warten auf die Bestätigung aus Schweden. Die flatterte Anfang Dezember ins Haus – und einen Monat später sollte es schon losgehen. Als erstes buchte ich meinen Flug. Hier kann man einiges an Geld sparen, wenn man Fluggesellschaften vergleicht, denn manche haben spezielle Tarife für unter 25-Jährige. Um eine Wohnung musste ich mich zum Glück nicht kümmern, da mir ein Platz in einem der Studentenwohnheime zugesichert wurde. Ich musste lediglich die erste Hälfte der Gesamtmiete für das Semester überweisen und bekam dann einen Link zur Zimmerauswahl zugesandt. Ich entschied mich für ein Zimmer mit eigenem Bad und geteilter Küche, da mein Plan war, auch mit Schweden in Kontakt zu kommen. Dazu aber später mehr.
Bezüglich einer Auslandsversicherung fragte ich bei meiner Versicherung an und bekam ein gutes Angebot, weshalb sich auch dieser Punkt nicht als sonderlich schwierig gestaltete.
Zusätzlich versorgte mich die Uni noch mit der Broschüre „My guide to Umeå University“, die Informationen zur schwedischen Kultur, dem Gesundheitssystems, wichtigen Ansprechpartnern und ähnlichem parat hielt. Aus diesem Guide ging zum Beispiel hervor, dass die Zimmer weder mit Bettdecken noch Kopfkissen oder Lampen ausgestattet sind, weshalb es sich empfiehlt, schon vorher in einer der vielen Facebook Gruppen für Austauschstudenten beizutreten und dort das wichtigste gebraucht zu kaufen.

Studieren in Schweden

In Schweden angekommen war mein erster Eindruck zunächst: Kalt und dunkel. Ich kam gegen Abend an, schlitterte zu einem Taxi und ließ mich durch den Schnee zur Uni fahren. Dort wurde ich mit Wasser und frischem Obst verpflegt, unterschrieb meinen Mietvertrag, bekam die Schlüssel und wurde dann zu meinem neuen Zuhause gefahren.
Direkt am nächsten Tag ging es dann mit Einführungsveranstaltungen und dem Buddy Programme los, das ich nur jedem ans Herz legen kann. Für das Buddy Programme werden circa 20 Internationals in Gruppen mit circa zehn schwedischen Buddies eingeteilt. Mit dieser Gruppe werden dann das ganze Semester über Aktivitäten, Parties und Ausflüge geplant und man lernt super schnell und einfach Leute aus der ganzen Welt kennen.

Nach einer Woche Eingewöhnen und Kennenlernen ging dann auch der Studienalltag los. Die Kurse sind klein, vergleichbar mit Seminaren hier in Deutschland, die Dozenten werden geduzt und die Atmosphäre ist wirklich sehr locker. Ich machte in meinem Semester insgesamt 22 Credits aber hatte trotzdem nur zweimal die Woche für jeweils zwei Stunden Uni. Zwar ist der Aufwand, den man mit Lektüre und Aufsätzen betreibt etwas größer, es bleibt aber auf jeden Fall genügend Zeit um zu reisen und das Land zu erkunden.

Das einzige was wirklich strenger war, als ich es in Deutschland kennengelernt habe, waren die Klausuren. Man darf weder Taschen noch Jacken mit in den Prüfungsraum nehmen. Ein paar Stifte und eine Flasche Wasser müssen genügen. Vor jeder Klausur wird vorgetragen, wie im Falle eines Betruges vorgegangen wird – wer spickt wird suspendiert. Zudem wurden vor und nach der Klausur Personalausweis und Studierendenausweis überprüft und mit dem Namen auf jedem einzelnen Klausurblatt verglichen.

Land und Leute

Wer an Schweden denkt, dem schießen wahrscheinlich direkt ein paar typische Assoziationen in den Kopf. Und mit diesen Stereotypen im Gepäck reiste auch ich in Schweden an.

Was die Natur und Landschaft betrifft, werden wirklich alle Erwartungen erfüllt, wenn nicht sogar übertroffen. Ob man hoch im Norden im lappländischen Kiruna mit dem Hundeschlitten vorbei an Rentieren durch die verschneite Landschaft gleitet oder im märchenhaften Ice Hotel steht und sich wie im wahrgewordenen Disney-Traum fühlt. In Jokkmokk, kurz hinter dem Polarkreis, über den traditionellen Sami-Markt schlendert und sich ein Rentierrennen anschaut. In Umeå in Stieg Larssons ehemaligen Stammcafé sitzt und Kladdkaka (weltbester Schokokuchen!) oder Prinsesstårta genießt oder nachts in den Himmel schaut und Nordlichter erblickt. Im nahegelegenen Skigebiet die Pisten hinunter düst, auf einer Elchfarm mit Elchen auf Tuchfühlung geht. Die schwedische Spezialität Surströmming, also vergorenen Hering, probiert und dabei fast seinen Geruchssinn verliert. Mit Blumenkrone im Haar Mittsommer feiert. Im Winter um 15 Uhr schon im Dunkeln sitzt und im Sommer um 1 Uhr nachts immer noch keine Lampe einschalten muss. Im Skuleskogen Nationalpark Berge erklimmt oder durch Schluchten wandert. Oder einfach nur Stockholms Altstadt genießt. Ich möchte keine Erfahrung missen.

Viele dieser Trips wurden vom Buddy Programme für uns organisiert aber auch die schwedische Mentalität lernte ich so kennen. Nachdem ich in meinem Wohnheim eher die Erfahrung gemacht hatte, dass Schweden nicht gerade die gesprächigsten sind und sich auch gerne mal hinter einer Ecke verstecken, wenn sie keine Lust haben, mit dir zu reden, war es gut auch andere Schweden kennenzulernen. Zwei meiner Buddies luden uns gerne zu Parties mit ihren Freunden ein und so bekam ich auch noch einen zweiten Eindruck von Umeås Studenten: Schweden sind sehr freundlich, hilfsbereit und tolerant. An Wochenenden wird sehr gerne gefeiert. Sehr gerne. Nüchtern ist manch einer dann vielleicht doch etwas zurückhaltender. Dazu kommt, dass gefühlt 99% der Schweden fast perfekt Englisch sprechen.

Fazit

Ich kann es nur jedem raten den Schritt zu wagen und für eine gewisse Zeit ins Ausland zu gehen. Abgesehen davon, dass man seine Sprachkenntnisse verbessert, wird man anderen Kulturen gegenüber offener, lernt tolle Menschen aus der ganzen Welt kennen und entwickelt sich persönlich weiter. Ich fand es sehr interessant den Alltag und das System einer nicht-deutschen Uni kennenzulernen und festzustellen, dass man auch alleine in einem fremden Land gut klarkommt. Schweden habe ich dabei als das perfekte Land für einen Auslandsaufenthalt empfunden: Man erleidet keinen Kulturschock, lernt aber trotzdem eine andere Kultur und Mentalität kennen. Die Menschen sind freundlich und hilfsbereit und alles war super durchorganisiert.
Ich denke gerne an meine Zeit in Schweden zurück, die leider wie im Flug vergangen ist, und kann es nicht abwarten, mein nächstes kleines Abenteuer in Angriff zu nehmen.