Ein Schüleraustausch im Nachbarland – die Niederlande

Zugefrorener Schloßgraben in den Niederlanden

Für mich stand schon lange fest, dass ich in die Niederlande wollte. Als wir vor langer Zeit im Urlaub in den Niederlanden mein Gutenachtgeschichtenbuch vergessen hatten, ohne das ich auf keinen Fall einschlafen konnte, haben meine Eltern mir auf Niederländisch „Jip en Janneke“, das in Niederland beliebteste Kinderbuch, vorgelesen. Von da an war mein Interesse für die niederländische Sprache geweckt und später machte ich auch einige Volkshochschulkurse, um Niederländisch zu lernen.

Vorbereitungen

Ein Austausch über eine Organisation wäre für uns aber zu teuer gewesen. Also habe ich im Internet nach Schulen in den Niederlanden gesucht und direkt mehrere Schulen per E-Mail angeschrieben und gefragt, ob es die Möglichkeit gibt, an dieser Schule einen Schüleraustausch zu machen. Und schon nach  drei Tagen bekam ich von einer Waldorfschule in Zutphen die E-Mail Adresse von einem Mädchen, das Interesse an einem Schüleraustausch hatte! Ich habe ihr natürlich sofort eine E-Mail geschrieben und wartete sehr gespannt auf eine Antwort. Die kam auch nach kurzer Zeit und wir haben uns E-Mails geschrieben um uns kennen zu lernen. Sie ist so alt wie ich und ihre Schwester ist zwei Jahre jünger als ich. Sie und ihre Familie haben mich und meine Eltern eingeladen, sie schon vor dem Austausch mal zu besuchen. Das war zum Glück möglich, weil wir nur etwa zwei Stunden voneinander entfernt wohnen. Auch wenn ich schüchtern war und sehr wenig gesagt habe, haben wir uns direkt gut verstanden und ich habe mich noch mehr auf meinen Austausch bei dieser Familie gefreut.

Start

Gut zwei Monate später, nach den Weihnachtsferien, ging es dann los. Ich freute mich, doch ich hatte auch ein bisschen Angst vor dem, was kommen würde. Kann ich mich auf Niederländisch verständigen? Werde ich mich mit meinen Klassenkameraden gut verstehen? Diese und viele weitere Fragen gingen mir auf der Fahrt nach Zutphen zu meiner Gastfamilie durch den Kopf. Zur Begrüßung gab es „oliebollen“, ein typisches Niederländisches Neujahrsessen. Ich durfte in dem Zimmer von einer meiner Gastschwestern wohnen, die dafür in das Arbeitszimmer gezogen ist.

Schule

Zwei Tage später war dann mein erster Schultag. Ich war sehr aufgeregt. An dem Tag hat meine Klasse im Rahmen der Sozialwissenschaftsepoche ein Gericht besucht und danach hatte ich nur noch zwei Stunden Schule.

Bevor wir in das Gericht reingehen konnten, mussten wir, ähnlich wie am Flughafen, durch eine Sicherheitsschleuse gehen, und ein Mitarbeiter fragte mich, ob ich einen „riem“ habe. Ich hatte keine Ahnung, was ein „riem“ war, und ich war irgendwie unfähig, ihm zu sagen, dass ich nicht gut Niederländisch spreche, aber glücklicherweise kam mir dann eine Mitschülerin zur Hilfe, die dem Mitarbeiter erklärte, dass ich noch nicht so gut Niederländisch  spreche, und der Mitarbeiter übersetzte das Wort dann für mich ins Englische. (Ein „riem“ ist übrigens ein Gürtel). Von der Gerichtsverhandlung habe ich nur sehr wenig verstanden. Meine Mitschüler waren sehr nett und haben mir geholfen, wenn ich irgendwas nicht verstanden habe.

Die Schule war viel größer als meine deutsche Schule (in den Klassen sieben bis zwölf waren insgesamt 1200 Schüler). Während meiner ersten Schultage hatte ich noch ein Gespräch mit dem Lehrer, der den Schüleraustausch organisiert hatte. Ich habe das meiste was er gesagt hat, verstanden, aber aus Angst, was falsch zu machen, kaum was gesagt…

Auch die Lehrer habe ich recht gut verstanden, aber von dem, was meine Mitschüler in den Pausen gesagt haben, habe ich nur sehr wenig verstanden. Doch nach kurzer Zeit konnte ich das meiste verstehen und auch auf Fragen antworten, so dass die anderen es auch verstanden haben. 😉

Aber meine Mitschüler mussten mir sehr oft Wörter erklären, die ich nicht verstanden habe, was für sie auch nicht immer leicht war (vor allem in der Poesie-Epoche).

Mit meinen Klassenkameraden habe ich mich gut verstanden und mich auch manchmal in der Freizeit mit ihnen getroffen. Ich habe mich in der Klasse sehr wohl gefühlt! Für den Musikunterricht mussten wir alleine oder in Gruppen etwas einüben und dann vor der Klasse vorführen. Ich spiele Oboe und hatte meine Oboe auch mitgenommen. Mit einem Mädchen, das Klavier spielt, habe ich dann etwas eingeübt und mich auch in den Ferien mit ihr zum Üben getroffen. Kurz bevor ich wieder nach Deutschland ging, haben wir das Stück dann vorgeführt, und es hat alles sehr gut geklappt.

In den Niederlanden fährt fast jeder mit dem Fahrrad zur Schule. Die Fahrradständer mit den ungefähr 1200 Fahrrädern vor der Schule sahen schon sehr beeindruckend aus. Auch zur Sporthalle mussten wir ungefähr eine Viertelstunde mit dem Fahrrad fahren (in der Schule gab es zwar auch eine Sporthalle, aber weil immer mehrere Klassen gleichzeitig Sport hatten, mussten wir immer zu einer anderen Sporthalle fahren).

Die Schule hat in den Niederlanden immer erst um neun Uhr angefangen, ging dafür aber auch länger (an einem Tag in der Woche sogar bis halb sechs). In der Schule gab es, nicht so wie bei uns ein warmes Mittagessen, sondern nur Brötchen zu kaufen.

Dadurch, dass die Schule so groß war, konnte man viel mehr wählen. So gab es bei den handwerklichen Fächern Plastizieren, Werken, Malen, Textil (hier hat man eigene Kleidung entworfen und genäht), Schmieden, Videokunst (hier hat man einen Film gedreht), Theater und noch einige mehr. Auch bei den anderen Fächern hatte man sehr viel Auswahl. Es gab zum Beispiel Wirtschaftswissenschaft und Chinesisch.

Der Hauptunterricht war immer mit der ganzen Klasse zusammen, aber in den Fachstunden war die Klasse nach Niveaus aufgeteilt.

Praktikum

Nach der ersten Schulwoche hatte meine Klasse ein Praktikum. Das konnte ich zum Glück bei meiner Gastmutter machen, die in der dritten Klasse einer Waldorfschule unterrichtet hat. Das Praktikum hat mir sehr gut gefallen und ich konnte mich gut mit den Kindern unterhalten, weil die oft noch eine einfachere Sprache hatten. Ich habe einmal in der Klasse ein deutsches Wintergedicht vorgelesen, was die Schüler sogar ein bisschen verstanden haben (in den Niederlanden bekommt man meistens erst ab der siebten Klasse Deutschunterricht in der Schule). An meinem letzten Praktikumstag, habe ich zusammen mit den Kindern Schneeflocken aus Papier gebastelt. Die Kinder fanden es schade, dass mein Praktikum nur eine Woche ging und ich bekam sehr viele selbst gebastelte Schneeflocken als Abschiedsgeschenk.

Freizeit und Familie

Nach einigen Wochen Schule hatten wir eine Woche Krokusferien. In den Ferien waren wir auf dem Markt und in der Bücherei, wo ich viele Bücher ausgeliehen habe, in Zutphen und in Arnheim. Als es endlich gefroren hatte brach „schaatskorts“ (Schlittschuhfieber) aus. Es wurde sehr viel rumtelefoniert und abgesprochen, wann wer mit wem wo Schlittschuhlaufen geht. In der Nähe von dem Haus meiner Gastfamilie war ein Schlossgraben, auf dem wir sehr oft Schlittschuh gelaufen sind.

In den Niederlanden habe ich sehr viel gelesen. Weil meine ganze Gastfamilie gerne liest, hatten sie sehr viele Bücher, doch leider haben die neun Wochen nicht ausgereicht, um alle Bücher, die ich gerne gelesen hätte, zu lesen. Aber als ich wieder nach Hause ging, bekam ich einen dicken Stapel Bücher von meiner Gastfamilie ausgeliehen.

Eine meiner Gastschwestern und mein Gastvater gingen zwei Mal die Woche Bogenschießen. Ich bin einmal mitgekommen, weil ich mir das gerne mal angucken wollte, und da hat es mir so großen Spaß gemacht, dass ich von da an immer mit gekommen bin!

Weil die Schule in dem Niederlanden länger ging und meine Gastfamilie auch etwas weiter von der Schule entfernt wohnt, blieb nach der Schule neben den Hausaufgaben kaum noch Zeit für andere Aktivitäten. Das ist bei mir in Deutschland anders: Ich treffe mich nach der Schule oft mit Freunden, gehe zum Musikunterricht, mache Sport etc. Doch daran konnte ich mich schnell gewöhnen und ich fand es auch schön, dass ich so mehr Zeit mit meiner Gastfamilie verbringen konnte.

Ich habe mich sehr gut mit meiner Gastfamilie verstanden und sie nach dem Austausch direkt noch einmal besucht, was ja gut ging, da wir nicht so weit auseinander wohnen.

Ich habe mich dort sehr wohl gefühlt und ich bin froh, dass ich in diese Familie gekommen bin!

Abschied

Die neun Wochen gingen viel zu schnell vorbei und, auch wenn ich mich natürlich gefreut habe, meine Freunde und Eltern wieder zu sehen, wäre ich gerne noch länger dort geblieben.

Heimweh hatte ich in den neun Wochen nicht. Das lag sicher daran, dass ich mich so gut mit meiner Gastfamilie und meinen Klassenkameraden verstanden habe, aber vielleicht lag es auch daran, dass neun Wochen eine doch relativ kurze Zeit ist.

Inzwischen kann ich es sehr gut verstehen, wenn jemand mit mir Niederländisch spricht und kann auch antworten. Es ist zwar nicht perfekt, aber die Leute verstehen, was ich meine, und das ist ja das Wichtigste! Wenn ein Austausch mit einer Organisation zu teuer wird, kann ich jedem nur empfehlen, zu versuchen sich selbst etwas zu organisieren, denn ein Schüleraustausch ist ein immer unvergessliches Erlebnis!